Der Bundesfinanzhof hat in dem Musterverfahren des Bundes der Steuerzahler zum Az. II B 78/23 (AdV) entschieden und die Beschwerde des Finanzamtes als unbegründet zurückgewiesen. Wie der BFH seine Entscheidung begründet und wie der Bund der Steuerzahler dazu steht, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.
Kurzgefasst:
Der BFH wies die Beschwerde des Finanzamtes gegen den Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 23.11.2023, Az. 4 V 1295/23, als unbegründet zurück und bestätigte die Aussetzung der Vollziehung.
Historie
- Kompetenzfehler des Bundes: Das Grundsteuergesetz leide unter erheblichen rechtlichen Konstruktionsfehlern.
- Fehlende klare Belastungsgrundlage: Der Gesetzgeber definiere keinen klaren Belastungsgrund und kein eigenes Bewertungssystem.
- Ungenauigkeiten der Bodenrichtwerte: Ungenaue Bodenrichtwerte können nicht durch Nachweise eines niedrigeren Werts korrigiert werden.
- Komplexe Parameter: Das Gesetz verwende zu viele schwer zu ermittelnde Parameter, die das Grundsteuersystem verkomplizieren.
- Grobe Typisierung: Die gewählten Kriterien wie pauschale Nettokaltmiete und Restnutzungsdauer seien oft zu grob und nicht gleichheitsgerecht.
- Unstimmiges Mischsystem: Das Gesetz kombiniere detaillierte und vereinfachte Bewertungsmethoden auf inkonsistente Weise.
- Übermaßbesteuerung: Das Gesetz würde daher in der Zahllast das Maß der Verfassung verletzen, wenn die Hebesätze der Gemeinden feststehen und die fehlerhaften Bewertungen eine Übermaßbesteuerung bewirken.
- Umständliche Brutto-Grundfläche: Anstatt bewährter Parameter wie Kubikmeter wird die Brutto-Grundfläche verwendet, deren Ermittlung umständlich sei. (Sachwertverfahren)
- Erhebung unnötiger Daten: Die öffentliche Hand erhebt Daten von Steuerpflichtigen, welche ihr bereits zugänglich seien, und prüfe diese strafbewehrt.
- Kompliziertes und freiheitswidriges Gesetz: Insgesamt habe der Bundestag ein unnötig komplexes und daher freiheitswidriges Grundsteuergesetz verabschiedet.
Beschluss FG Rheinland-Pfalz
Der Bund der Steuerzahler begleitete zwei Musterverfahren vor dem FG Rheinland-Pfalz und bezog sich dabei u.a. auch auf das o.g. Gutachten. Das FG Rheinland-Pfalz äußerte in diesen zwei Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes (Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23) vom 23.11.2023 ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel am Bundesmodell:
- Steuerpflichtige müssten – im Einzelfall und unter bestimmten Bedingungen – die Möglichkeit haben, einen unter dem typisierten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks, beispielsweise mittels Sachverständigengutachten oder im konkreten Sachverhalt aufgrund einzelfallbezogener Besonderheiten, nachweisen zu können
- Es gäbe Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregeln mit Blick auf eine potenzielle Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG, der eine realitäts- und relationsgerechte Grundstücksbewertung fordere. Es herrsche Unklarheit, was der genaue Belastungsgrund der Grundsteuer sei und wie überprüft werden könne, ob die Bewertungsergebnisse tatsächlich bestehende Wertunterschiede angemessen abbildeten.
- Große Anzahl gesetzlicher Typisierungen und Pauschalierungen und eine nahezu vollständige Vernachlässigung individueller Umstände führe zu erheblichen Wertverzerrungen, so dass nicht mehr von einer gleichheitsgerechten Bewertung ausgegangen werden könne.
- Es gäbe ein gleichheitswidriges Vollzugsdefizit bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte, weil diese Werte häufig aus der Aufteilung von Gesamtkaufpreisen in einen Gebäude- und einen Bodenanteil ermittelt würden, ohne dass den Gutachterausschüssen effektive Instrumente zur Sachverhaltsermittlung sowie zur Verifikation der Angaben von Grundstückseigentümern zur Verfügung stünden.
BFH-Beschluss
Mit Beschluss vom 27. Mai 2024, II B 78/23 (AdV) hielt der BFH fest, dass die Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff. des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794) bei der im Aussetzungsverfahren gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gebotenen summarischen Prüfung verfassungskonform dahin auszulegen seien, dass auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Werts erfolgen kann. Hierfür sei regelmäßig der Nachweis erforderlich, dass der Wert der wirtschaftlichen Einheit den festgestellten Grundsteuerwert derart unterschreitet, dass sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. In der Pressemitteilung des BFH wird klargestellt, dass eine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des neuen Bewertungsrechts damit nicht verbunden sei.
Steuerzahlerbund-Präsident Reiner Holznagel und Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke kommentierten den BFH-Beschluss wie folgt: “Das letzte Wort in den anhängigen Klagen vor den Finanzgerichten wird das Bundesverfassungsgericht haben. Auch wenn der Bundesfinanzhof (BFH, II B 78/23) mit seiner heutigen Entscheidung die Beschwerden des Finanzamtes zurückgewiesen hat, hat er doch keine eindeutige Aussage zur Verfassungswidrigkeit getroffen. Somit bleiben für uns verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.”
Disclaimer:
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